Volkskunde in der Metropole

Zur Entstehung eines volkskundlichen Wissensmilieus und zur Produktion kultureller Wissensformate in Berlin

Das Berliner Projekt beschäftigt sich mit der Frage nach der Generierung volkskundlichen Wissens im spezifischen Kontext Berlins. Dabei geht es um die komplexen Wechselbeziehungen von Metropole, Wissen und sozialen Akteuren und um den Versuch, diese Wirkungsverhältnisse wissensgeschichtlich zu konzeptualisieren. Dies wird mit dem Begriff des Wissensmilieus versucht, der zunächst zur Beschreibung entsprechender Verbindungen im gegenwärtig konstatierten Übergang von der Informations- zur Wissensgesellschaft entworfen wurde (Forschungen des IRS Erkner, bes. Matthiesen/Bürkner). Im Projekt soll er deshalb – ähnlich wie der Begriff des Wissensformats - in explorativer Weise auf einen historischen Zusammenhang angewendet und für diesen Zweck weiterentwickelt werden. Zentrale Forschungshypothese ist, dass in Berlin von einem volkskundlichen Wissensmilieu gesprochen werden kann, dass es sich gerade auch im urbanen Raum des 20. Jahrhunderts verorten lässt, dass es im Untersuchungszeitraum über spezifische Formen der Binnenkommunikation und damit eines internen Wissenstransfers verfügte und dass es vor allem auch sehr effektiv in gesellschaftliche Öffentlichkeiten hineinwirkte.

Das Projekt verbindet zwei verschiedene Ausgangsperspektiven: die einer Institution und die eines Wissensformats. Die beiden Perspektiven stehen für je eine der zentralen Dimensionen, die der Forschungsverbund insgesamt verfolgt: für den Wissenstransfer und für die Medialität von Wissenskulturen, während die dritte Dimension der Regionalität als inhärenter Bezugspunkt beide Perspektiven miteinander verbindet. Analysiert werden exemplarisch: (1) die Gesellschaft für Heimatkunde der Mark Brandenburg zu Berlin „Brandenburgia“ als volkskundliche Institution und (2) mehrere große Volkskunstausstellungen in Berlin als spezifisches Wissensformat. Mit Hilfe dieses gezielt multiperspektivischen Vorgehens soll es gelingen, exemplarisch jenen Logiken auf die Spur zu kommen, nach denen Wissen, Akteure und lokale/regionale Gelegenheitsstrukturen miteinander verzahnt waren. Fokussiert auf die Frage nach einem volkskundlichen Wissensmilieu bedeutet das konkret, die in den Fallstudien gewonnenen Detailkenntnisse über einzelne volkskundliche Arbeitsfelder miteinander zu konfrontieren, personelle Überschneidungen und direkte Kommunikationsbeziehungen zwischen ihnen herauszuarbeiten und die Wege volkskundlichen Wissens in Berlin zwischen den unterschiedlichen ‚Facetten’ eines spezifisch Berliner volkskundlichen Wissensmilieus und zwischen verschiedenen Medien, Institutionen und Öffentlichkeiten zu verfolgen. Dabei soll das Konzept von Wissensmilieus soweit für eine historische Analyse konkretisiert werden, dass die Arbeit der zukünftigen Forschergruppe daran anschließen kann, um später ähnliche Fragen für größere regionale und nationale Zusammenhänge beantworten zu können.

Dem Projekt assoziiert und Teil des Forschungsverbundes ist das Promotionsprojekt von Cornelia Kühn: Volkskunst als kreative Aneignung der Moderne? Die Laienzirkel in der frühen DDR zwischen politischer Lenkung und ästhetischer Praxis.