Konstituierung von Region als Wissensraum

Der Beitrag von Volkskunde und Sprachforschung in Württemberg (1890-1930)

Das Tübinger Teilprojekt untersucht die Rolle volkskundlichen/ethnografischen Wissens bei der Konstituierung von Staat, Region und Landesbewusstsein am Beispiel Württembergs. Es geht davon aus, dass hier ein vergleichsweise starkes staatliches Engagement mit Blick auf die Konstruktion von Landeseinheit dafür gesorgt hat, dass Württemberg am Ende des 19. Jahrhunderts als der landeskundlich am besten erforschte Staat des Kaiserreiches galt. Gleichzeitig formierten sich hier Öffentlichkeiten, die zur weiteren Popularisierung volkskundlichen Wissens gleichermaßen beitrugen wie zu seiner praktischen Generierung (Schwäbischer Albverein, gegr. 1888; Schwäbischer Heimatbund, gegr. 1909).

Die territoriale Integration Württembergs und sein Einschreiben in den nationalen Horizont wurden seit dem frühen 19. Jahrhundert begleitet von der Entdeckung regionaler Eigenarten, ihre Feststellung und Beschreibung diente gleichzeitig der Bestätigung der kleinräumigen Differenziertheit wie auch – im Sinne von „Einheit in der Vielfalt“ – der Herstellung eines homogenen Kultur- und Erinnerungsraumes und damit der Konstruktion von Landeseinheit. Ein besonderes Augenmerk soll daher den raumexplorierenden Wissensformaten der Sprachgeografie und Namenkunde gewidmet werden, die dazu beigetragen haben, die Kohärenz der Region erzähl- und vermittelbar zu machen. Ausgehend von den großen Unternehmungen der Landesbeschreibung und den frühen Publikationsreihen der Volkskunde sowie den populären Periodika sollen die unterschiedlichen Wissensformate und deren Akteure untersucht werden. Dabei werden die Jahrzehnte um den Ersten Weltkrieg besonders ins Visier genommen und nach der Rolle ‚regionalen‘ Orientierungswissens in politischen Neuordnungsprozessen gefragt. Damit verfolgt das Projekt eine wissensbasierte Perspektive auf die Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft bei der Schaffung administrativer Räume.

Das Projekt hat eine Laufzeit von zunächst zwei Jahren.